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Hip Hop
Die Technik
des Scratchens
Der DJ bewegt beim Scratchen die Platte mit einer Hand in verschiedenen
Rhythmusmustern vor und/oder zurück, die andere Hand führt
korrespondierende Bewegungen mit den Reglern des Mischpultes aus.
Der geistige Vater des Scratchens ist Grandmaster Flash, der mit seiner
Technik des Backspinning nichts anderes machte. Sein Schüler Grandwizard
Theodore war jedoch der erste, der die Sounds, die beim kratzen der
Nadel über das Vinyl entstehen, rhythmisch einsetzte.
„What Theodore
did for scratching is this - where I had expertise on the backspin or
fakin´ the faze, what Theodore would do with a scratch is make
it more rhythmical. He had a way of rhythmically taking a scratch and
making that shit sound musical. He just took it to another level.“
(Übersetzung)
Abhängig vom
Tonmaterial, das auf der Platte gespeichert ist, kann man beim Scratchen
eine Vielzahl von Sounds kreieren. Das Ausgangssignal, mit dem der scratchende
DJ arbeitet, wird auch Effekt genannt. Unterschieden wird auch zwischen
Originalplatten und den sogenannten Battle-Tools oder Battle-Records,
die eigens zum Scratchen für DJs gepreßt werden.
Mit Routines werden festgelegte Bewegungsabläufe im Zusammenhang
mit Klangmaterial bezeichnet, wobei es weniger um einzelne Scratches
als um das Endergebnis des bearbeiteten Materials geht. Viele Routines
würden auch mit einer anderen als der vorgesehenen Platte funktionieren,
oftmals dient jedoch der Titel des benutzten Songs als Namensgeber für
die Routine.
DJs, die originelle Routines entwerfen, können außer großen
Wettkämpfen auch große Anerkennung bei ihren Kollegen damit
gewinnen. Der renommierte DJ Babu sagt über seine Lieblings-Routine:
„[...] Mr.
Sinistas „Method Man“, ich wünschte ich hätte
diese Routine gemacht.“
Cash Money aus Philadelphia
z.B. wurde nicht zuletzt durch seine „rock the bells/pee wee hermann“
Routines eine DJ-Legende
„Einfaches“
Scratching
Den Baby Scratch (auch Wiggy Wiggy oder Jiggy Jiggy), für den man
die Platte einfach nur vor- und zurückführen muß, entdeckte
Grandwizard Theodore, der mit bürgerlichem Namen Theodore Livingston
heißt, 1976 als Teenager. Als
seine Mutter in sein Zimmer kam und ihn bat, die Musik leiser zu drehen
hielt er die Platte einfach fest. Unbewußt bewegte er dabei jedoch
die Hand, die die Platte hielt ein wenig vor und zurück, weshalb
die Nadel einen einzelnen Drumbeat immer wieder abtastete.
Beim Forward Scratch blendet man Effektsounds ein,
blendet sie wieder aus, zieht die Platte zurück und wiederholt
das Ganze beliebig oft. Die Sounds, die beim Abstoppen oder extrem langsamen
Bewegen der Platte entstehen, heißen Rubs oder Drags (auch Slurring).
Der Stab (oder auch Chop oder Jab), bei dem man die Platte festhält,
sehr schnell nach vorne stößt und dann ausblendet, ist ursprünglich
aus dem Forward Scratch entstanden. Grandmaster Flash lieferte hierfür
mit dem bereits erläuterten Punchphasing die Grundlage.
Anfang der 80er Jahre war der Sound der Zeichentrickserie „Transformers“
die Inspiriation für den Transformer Scratch, bei dem man die Platte
langsam (oder auch schneller, je nachdem wie lang der Effekt ist) hin
und herbewegt. Die eigentliche Wirkung entfaltet sich erst durch Patterns,
die parallel mit den Fadern des Mischpultes kreiert werden. Jazzy Jeff,
der mit Will Smith am Mikrofon als „Jazzy Jeff & the Fresh
Prince“ zusammenarbeitete, veröffentlichte die erste Platte,
auf der der Transformer Scratch zu hören ist, die DJs Spinbad und
Cash Money waren aber jedoch ebenfalls an der Entwicklung beteiligt.
Aus dem Transformer Scratch wurde der Tweak Scratch entwickelt, der
vom Bewegungsablauf mit seinem Ursprung identisch ist. Der Unterschied
besteht darin, daß der Motor des Plattenspielers beim Tweak Scratch
ausgeschaltet wird, wodurch mitunter skurrile, aber auch experimentelle
Sounds entstehen.
Mixmaster Mike, Mitglied der DJ-Crew „Invisbl Skratch Piklz“
und Turntablist bei den Beasty Boys ist der geistige Vater des Tweak
Scratches wie auch des Hydroplanes. Bei diesem wird der mittels Speichel
angefeuchtete Mittelfinger auf die laufende Platte gesetzt und diese
gleichmäßig zurückgezogen. Eine Variation des Hydroplanes
besteht darin, die Platte mit aufgesetztem Finger einfach laufen zu
lassen, sie ist allerdings schwieriger auszuführen.
Der Chirp ist aufgrund seines rhythmischen Schwierigkeitsgerades einer
der beliebtesten Scratches und im Grunde ein doppelter Stab, nur daß
hier auch die Rückwärtsbewegung eingeblendet wird. Beim Tip
wird nur der Anfang eines Effektes aggressiv angescratcht. Dabei macht
man sich die Technik des Drills zunutze, der von DJ Supreme und Undercover
aus Großbritannien entwickelt wurde. Die Muskeln des Unterarms
werden beim Drill so stark angespannt bis es zum Muskelzittern kommt,
welches mit einem oder mehreren auf der Platte liegenden Fingern auf
diese übertragen wird. Die hohe Bewegungsfrequenz des Muskelzitterns
verleiht diesem Scratch einen aggressiven Charakter. Als vielseitig
erweist sich der Drill auch in Kombination mit dem Baby Scratch. Gleichzeitig
ausgeführt ergeben die beiden Bewegungsmuster einen Scratch namens
Shiva.
Ein weiterer Scratch, dessen Beherrschung für einen heutigen DJ
obligatorisch ist, ist der Tear Scratch der sich aus einer Vorwärtsbewegung,
einem Ausblenden, wieder Einblenden und zwei Rückwärtsbewegungen
ergibt.
Sehr viele Möglichkeiten birgt der 1992 von DJ Flare entwickelte,
nach ihm benannte Flare Scratch in sich. Er stellte einen Quantensprung
für die Turntablisten dar, als er, durch DJ Q-Bert von den Invisbl
Skratch Piklz perfektioniert, bei den 1993er DMC-Weltmeisterschaften
vorgestellt wurde. Je nachdem wie oft der Fader und die Platte bewegt
werden gibt es one click Flares, 2-1 clicks, 1-3 clicks, 3-1 clicks,
2-3 clicks usw.. Die Anzahl der Clicks ergibt sich aus den Faderanschlägen,
die eben ein klickendes Geräusch erzeugen. Eine besonders homogene
Kombination stellt der 2-2 click Flare dar, der auch Orbit genannt wird
und von DJ Disk eingeführt wurde.
DJ Disk war es auch, der den banana erfand. Für diesen flangerartigen
Verzögerungseffekt muß man bei laufender Platte ein wenig
am Plattenteller reiben, um diesen zu verlangsamen. Außer den
beiden vorgenannten Scratches entwickelte Disk in Kooperation mit DJ
Q-Bert den 3 Finger- bzw. 4 Finger-Crab (nach den Bewegungen der Krabbe
benannt). Der Crab ist aus dem Twiddle hervorgegangen, der wiederum
eine Weiterentwicklung des Transformers war. Der Zeigefinger und der
Mittelfinger wechseln sich beim Twiddle am Fader ab, der jeweils mit
dem Daumen zurückgefedert wird, bei den Crabs wird der Fader mit
allen Fingern bedient. Dadurch wird eine höhere Scratchgeschwindigkeit
als beim Transformer möglich.
Wenn man mit einer Hand den Cross- und mit der anderen Hand den Linefader
abwechselnd bewegt, bekommt man eine Signalunterbrechung, die dem Effekt
der Crabs sehr ähnlich ist, jedoch noch schneller und präziser,
und vor allem durchgehend durchzuführen ist. Diese zweihändige
Euroscratch genannte Technik wurde von Primecuts von der Battlecrew
Scratch Perverts erstmals verwendet.
Tone
Scratching
Nicht nur rhythmische sondern auch tonale Änderungen des Ausgangsmaterials
sind unter Zuhilfenahme des Umdrehungsgeschwindigkeitsknopfes (33/45
U/min) und des Pitchreglers mit dem Plattenspieler möglich. Da
sich jedoch die meisten auf Platte gepreßten Töne in einem
rhythmischen Zusammenhang befinden, welcher durch das Pitchen verzerrt
würde, befinden sich auf Battle-Tools-Platten dafür vorgesehene
Töne in Endlosrillen. Mit diesen ist ein mit einem entsprechenden
Gehör ausgestatteter DJ in der Lage, nahezu jede bekannte Melodie
nachzuscratchen. Oft werden Tone Scratches in „Turntable-Bands“
(Battle-Teams) für Basslinien verwandt.
Eine Ausnahmestellung nimmt in diesem Zusammenhang DJ Radar ein, der
mit einem Plattenspieler in der Lage ist, die Solopartie in einem Sinfoniekonert
zu spielen.
Beat
Juggling
Beat Juggling beruht auf dem Prinzip des Backspinnings von Grandmaster
Flash. Der DJ nimmt rhythmische Ausschnitte einer Platte, meist Solo-Drums,
aus denen er durch Wiederholungen einen neuen Beat erstellt. Da die
wiederholten Passagen sich aber auf sehr kurze Rhtythmusfetzten beschränken,
muß der DJ die Platte sehr oft zurückziehen. Um dabei keine
Unregelmäßigkeiten im Groove entstehen zu lassen, muß
er die richtigen Stellen genau treffen. Zieht er die Platte zu weit
zurück, braucht die gewünschte Stelle zu lang bis sie an der
Nadel ist, wodurch ein Loch entsteht. Hat die Platte zuwenig Schwung
ist der erste Schlag nicht zu hören oder zumindest am Anfang abgeschnitten.
Bis Anfang der 90er Jahre wurde das Zurückziehen gerne mit sogenannten
Bodytricks, kleinen artistischen Einlagen, kombiniert. Durch eine zu
exzessive Body-Performance leidet jedoch das Timing sehr, weshalb viele
DJs heute von einer solchen absehen, nur selten wird noch eine Hand
unter dem Bein hindurchgeführt.
Das
seit 1989 bekannte Slowdown der Beats wurde durch Steve D., einem späteren
Mitglied der X-Ecutioners, einen entscheidenden Schritt nach vorne gebracht.
Beim Double-Click versetzt man die Kopie einer Platte auf dem zweiten
Plattenspieler um ein 8tel oder ein 4tel, was einen Echoeffekt zur Folge
hat. Steve D. stoppte die Platten im 8tel Takt und versetzte sie, wodurch
er völlig neue Beats erschaffen konnte. Eine augmentierende Variante
des Slowdown erhält man, wenn man jedes 8tel des Beats anscracht,
so daß sich der gesamte Rhythmus um die Hälfte verlangsamt.
Noch einen Schritt weiter ging DJ Q-Bert, der 1993 beim DMC Weltmeisterschaftsfinale
die Beatcuts oder Drummings populär machte. Bei dieser Technik,
die an die der Stabs angelehnt ist, werden nur einzelne Schläge
in einer schnelle Folge abgespielt, meist werden 16tel-Patterns aus
Bass- und Snaredrumschlägen geformt. Q-Bert und Mixmaster Mike
boten ihre Team- oder, musikalisch ausgedrückt, ihre Duo-Juggle-Routines
in einem bis dahin noch nicht gehörten, revolutionären Tempo
dar.
Durch die Ergänzung der Hauptklänge Bass- und Snaredrum durch
HiHats und die Einbeziehung beliebiger Effektsounds können, bei
genügenden handwerklichen Fähigkeiten des Künstlers,
mit der Technik des Beat Jugglings komplexe Rhythmusstrukturen geschaffen
werden.
Einfach mit der Hand auf den Plattenspieler zu schlagen, ist eine ungewöhnliche
Möglichkeit, mit dem Plattenspieler perkussive Sounds zu erzeugen
Das dadurch entstehende Geräusch kann man außerdem mit dem
Sound kombinieren, der entsteht wenn man den Tonarm mit der Nadel einfach
auf das Plattenlabel schlägt, wodurch die unmittelbare Formung
von Grooves möglich wird.
Eine weitere, sehr materialintensive Art der Klangerzeugung ist das
Kratzen mit der Nadel im rechten Winkel zu den Rillen. Dabei entsteht
ein sehr geräuschhafter Klang.
Wordcuts
Technisch dem Beat Juggling ähnlich, werden beim Wordcutting kurze
Textpassagen in einem neuen Zusammenhang kombiniert. Von Grandmaster
Flash mit dem Punch Phasing rudimentär angelegt, wurde der Umgang
mit Sprachschnipseln 1994 beim NMS-Weltmeisterschaftsfinale vom dänischen
DJ Noize zur Kunstform erhoben.
Die Schwierigkeit beim Wordcutten besteht darin, geeignetes Rohmaterial
zu finden, weil die benutzten Textzeilen grammatikalisch zusammenpassen
müssen. Deshalb gibt es auch nur wenige gut ausgearbeitete Wordcutroutines.
Mitunter ergeben sich ungewöhnliche musikalische Zusammenhänge,
da der DJ die Textquellen aus unterschiedlichen Musikrichtungen zusammensuchen
muß.
Die oben aufgeführten Techniken sind nur ein Auszug der vielfältigen
musikalischen Manipulationsmöglichkeiten, die ein Plattenspieler
bietet.
Die Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen. Neue DJs bringen neue
Ideen, und kreative Köpfe werden immer neue Techniken kreieren.
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