DER PLATTENSPIELER ALS MUSIKINSTRUMENT


Hip Hop


Grandmaster Flash


Grandmaster Flash war von Kool DJ Hercs Soundsystem und dessen Breakbeats beeindruckt und begann, auf kleinen Parties selbst aufzulegen. Bei seinem Vorbild, dem Disco-DJ Pete Jones, bemerkte Flash, daß dieser seine Platten fehlerfrei ineinandermischen konnte. Als er Jones Anlage einmal begutachten durfte, zahlte sich seine Ausbildung an einer Berufsschule für Elektrotechnik aus: Er erkannte, welche Schaltung die genaue Synchronisation zweier Stücke ermöglichte und war in der Lage, sie in sein eigenes Soundsystem zu kopieren. Nachdem er nun die zu spielenden Passagen über einen Kopfhörer vorhören konnte, war er bald in der Lage, Breakbeats so zu mischen, daß die Übergänge vom Publikum nicht mehr wahrgenommen wurden.

Nun fing Grandmaster Flash an, kurze Schnipsel einer Platte über bereits laufende Beats ein- und wieder auszublenden, wofür er einen dritten Plattenspieler in sein Setup einbaute. So konnte er die bereits laufenden Breakbeats mit z.B. Akzenten von einem Bläsersatz anreichern. Bei dieser „Punch Phasing“ genannten Technik nahm er auch gerne kurze Textpassagen von Funkstücken, vorzugsweise anheizende Ausrufe wie „let´s dance“ oder „rock it“.

Um die Effekte nicht nur einmal spielen zu können, erfand Flash das Backspinning, er drehte die Platte schnell zurück. Ließ er dabei die Nadel auf der Platte liegen, ertönte ein lautes Quietschen, das entweder mittels des Crossfaders ausgeblendet wurde oder aber als zusätzlicher Soundeffekt genutzt wurde.

Durch geschickt plazierte Wiederholungen dieser Einwürfe konnte er die musikalischen Spannungskurven der Breakbeats noch drastischer beeinflussen, er konnte sie zum Klimax führen. Durch seine Entscheidung, wann er die Abfolge der Versatzstücke verdichtete, und wann er eine Entspannung erlaubte, war es ihm möglich, direkten Einfluß auf das Geschehen auf der Tanzfläche nehmen. Etwa zur selben Zeit, als auch die Disco-DJs begannen, clubtaugliche Remixe zu schaffen, erfand Grandmaster Flash quasi das Live-Remixen auf der Bühne.

Um beim Backspinning die für ihn wichtigen Stellen auf der Platte schnell genug wiederfinden können, entwickelte er die „clock theory“. Er teilte das Plattenlabel wie das Ziffernblatt einer Uhr ein und merkte sich die entsprechenden Stellen. Erst folgende DJ-Generationen sollten ihre Einsatzstellen mit Klebeband oder Farbetiketten markieren.

Grandmaster Flash war der erste DJ, der einen anderen Sound als den des Plattenspieler in die Turntable-Musik einführte. Von einem befreundeten Schlagzeuger kaufte er sich ein besseres Metronom, das einige simple Rhythmusmuster in einer Endlosschleife abspielen konnte. Er integrierte das von ihm Beatbox genannte Gerät in den Grundaufbau aus Plattenspielern und Mixer.

Anfangs mischte er die Rhythmen der Beatbox in die Pausen, die mitunter noch zwischen zwei Platten entstanden. Bald sah er sich jedoch in der Lage, sein Können, was das Ausschmücken der Beats angeht, zur Schau zu stellen, da die Beatbox ihm ermöglichte, sich nicht mehr nur auf das Mischen der Breakbeats konzentrieren zu müssen. Er konnte seiner Kreativität beim Punchphasing und Backspinning freien Lauf lassen.

„Die Beatbox führte den DJ das erste Mal über den Rand seiner eigenen Plattenteller ins Reich des Musizierens und freien Komponierens. Die Grundlage des eigenen Schaffens war nun nicht mehr nur die eigene Plattensammlung, sondern eine elektronisch verstärkte Beatbox, die Übergänge zwischen zwei Songs „klopfen“ konnte.“